Das ARD-Politikmagazin „Monitor“ berichtete in zwei Sendungen über die Pläne, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro zusätzlich aufzurüsten und dafür das Grundgesetz zu ändern.
Nachstehend sind Zitate aus den Sendungen wiedergegeben.
„Aufrüstung im Westen: Abschreckung um jeden Preis?“
(„Monitor“-Beitrag vom 03.03.2022)
Was vor kurzem noch unvorstellbar gewesen wäre, ist jetzt plötzlich Konsens. 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, eine massive Anhebung des jährlichen Verteidigungsetats, die größte Rüstungsinvestition der jüngeren deutschen Geschichte. Beschlossen quasi über Nacht, bejubelt mit stehendem Applaus. Aber ist eine derart massive Aufrüstung wirklich die richtige Antwort auf den Krieg in der Ukraine heute?
Sabine Jaberg, Friedensforscherin: „Kurzfristig bringen diese Maßnahmen überhaupt nichts. Langfristig bringen sie uns mehr Konfrontation, mehr Unsicherheit, mehr Gefahr. Wir begeben uns in eine Rüstungsspirale hinein, die unter Umständen nicht beherrschbar ist, die eine Eigendynamik entwickelt und in der die Gefahr einer militärischen Konfrontation steigt.“
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Prof. Johannes Varwick, Politikwissenschaftler, Universität Halle-Wittenberg: „Das ist jetzt die politische Großwetterlage, dass alle Seiten aufrüsten werden, dass man sagt, wir müssen unsere Abschreckungsfähigkeit gegen Russland drastisch erhöhen. Das wird dazu führen, dass wir deutlich mehr Geld für Militär ausgeben. Das wird aber wiederum dazu führen, dass Russland das als Bedrohung empfindet. Und wir müssen raus aus dieser Eskalationsspirale. Und Außenpolitik hat die Aufgabe, auch an morgen und an übermorgen zu denken.“
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Oberst a. D. Wolfgang Richter, Stiftung Wissenschaft und Politik: „Für die Erosion der Rüstungskontrolle ist in erster Linie, glaube ich, die USA in die Verantwortung zu nehmen, denn es haben ja andere NATO-Staaten – gerade Deutschland – immer wieder versucht, die Rüstungskontrolle zu revitalisieren. Das ist uns aber nicht gelungen, weil die Blockade hier zu stark war. Und das ist jetzt natürlich – gerade aus heutiger Sicht – sehr bedauerlich, denn es sind viele Instrumente verlorengegangen, die die Sicherheitskooperation gefördert hätten, und die auch die Transparenz gefördert hätten. Wir haben sie nicht mehr.“
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Prof. Johannes Varwick, Politikwissenschaftler, Universität Halle-Wittenberg: „Wir werden Vertrauen wieder aufbauen müssen. Dafür ist die Konstellation in Europa zu kompliziert, und Russland wird ja nicht von der Landkarte verschwinden. Das heißt, es gibt mittelfristig keine Alternative zu Ausgleich und Rüstungskontrolle, und Aufrüstung und Abschreckung kann nicht die alleinige Antwort jetzt in dieser Situation sein.“
Original-Manuskript (PDF, 127 KB)
„Zeitenwende bei der Bundeswehr: Zwischen Aufrüstung und Verschwendung“
(„Monitor“-Beitrag vom 24.03.2022)
100 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren fließen, zusätzlich zum normalen Verteidigungshaushalt. Eine gigantische Summe. Aber wie kommt die Bundesregierung eigentlich auf diese Zahl? Auf Nachfrage dazu keine Erklärung. Auch nicht, warum das Bundesverteidigungsministerium vor wenigen Wochen noch ganz anders gerechnet hat. Da bezifferte das Ministerium den finanziellen Mehrbedarf bis 2026 auf 38 Milliarden Euro.
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Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung e. V.: „Das zeigt ja tatsächlich, dass diese 100 Milliarden eine völlige Phantasiezahl ist. Zuerst müsste eigentlich ein Bedarf, ein sicherheitspolitischer Bedarf ermittelt werden, was braucht man denn überhaupt, und dann die Finanzmittel dementsprechend bereitgestellt werden. Im Augenblick scheint das genau umgekehrt gemacht zu werden.“
Hinzu kommt, dass die Verteidigungsausgaben bereits seit 2014 massiv gestiegen sind: Von 32,4 auf 50,3 Milliarden Euro aktuell – ein Plus von 55 Prozent. Zusätzliche Mittel, die in der Vergangenheit vielfach verpufft sind, sagt der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels.
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Hans-Peter Bartels (SPD), ehem. Wehrbeauftragter: „Eines der Probleme der Bundeswehrbeschaffung ist nicht nur, dass zu wenig Geld da ist, sondern dass manchmal mit dem Geld, was da ist, auch unwirtschaftlich umgegangen wird, das Geld gewissermaßen verbrannt wird, zu teuer eingekauft wird, weil man Projekte mit Forderungen überfrachtet.“
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Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung e. V.: „Bevor man dreistellige Milliardenbeträge in eine offensichtlich ineffiziente Struktur steckt, müsste eigentlich eine radikale Neustrukturierung des gesamten Beschaffungsprozesses vonstattengehen.“
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Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung e. V.: „Die Gefahr ist tatsächlich, dass [die zusätzlichen 100 Milliarden] in einer Wunschliste versickern, die von der Rüstungsindustrie (…) angefertigt wird und damit (…) keinerlei sicherheitspolitischen Mehrwert liefern, sondern (…) eine reine Alimentierung und Subventionierung derjenigen Akteurinnen und Akteure darstellen wird, die von der Rüstungsindustrie und den Geldern, die da reinfließen, profitieren.“
Original-Manuskript (PDF, 123 KB)
Auszugsweise Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der „Monitor“-Redaktion.
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