„Beim Ukraine-Krieg geht es nicht um die Ukraine“

Am 29. April 2022 erschien im Online-Magazin „Telepolis“ ein diskussionswürdiger Kommentar von Florian Rötzer: „Beim Ukraine-Krieg geht es nicht um die Ukraine“

Nachstehend einige Zitate daraus.

Man könnte nach den kürzlich gemachten Äußerungen des US-Verteidigungsministers Austin (…) sagen, schwere Waffen sind das, worauf die USA und die Nato setzen, um Russland für lange Zeit militärisch und wirtschaftlich zu schwächen. Die angebliche Verteidigung der freien Welt in der Ukraine ist dafür ein probates Mittel.

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Die amerikanischen Freunde hatten bereits vor dem Krieg ukrainische Soldaten in der Ukraine und in den USA ausgebildet, darunter auch Mitglieder des Regiments Asow und anderen Freiwilligenverbänden wie C14 oder dem Rechten Sektor, die der Nationalgarde und damit dem Innenministerium unterstehen, aber auch Teil der Streitkräfte sind und eine gewisse Selbständigkeit haben. Vor allem sind durch ihre extrem nationalistische, teils neonazistische Ideologie bekannt und berüchtigt. Man wird sehen, ob Deutschland nur Soldaten der regulären Truppen oder auch solche Militanten ausbildet, zu denen mitunter Rechtsextreme aus Deutschland und der ganzen Welt gehen, um Kampferfahrung zu sammeln?

Der US-Verteidigungsminister Austin hat nach seinem gemeinsam mit Außenminister Blinken absolvierten Pflichtbesuch beim ukrainischen Präsidenten Selenskyj die Strategie der US-Regierung deutlich gemacht:
„Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es das, was es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann. Es hat bereits eine Menge militärischer Fähigkeiten und, offen gesagt, viele seiner Truppen verloren. Und wir wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Fähigkeit sehr schnell wiederherzustellen.“

Das läuft, wenn Russland nicht klein beigibt, auf eine direkte Konfrontation USA/Nato hinaus, was seit Beginn des Krieges provoziert wird, auch wenn ständig beschworen wird, dass man „nur“ Waffen und Geld liefert, aber nicht zum Kriegsteilnehmer werden will. Ein äußerst riskantes Spiel (…).

[Der] Angriffskrieg gegen die Ukraine war auch bereits Folge der von der russischen Führung als solche wahrgenommenen Gefährdung durch die USA und Nato.

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Austin brachte die Moral beim angeblichen Kampf um die Freiheit ins Spiel, machte aber auch klar, dass es nicht um die Ukraine geht, sondern eigentlich um die „regelbasierte internationale Ordnung“, die von Washington kontrolliert wird. Die Ukraine wird gebraucht, um Russland klein zu kriegen.

Wahrscheinlich ist die Strategie, die Allianz Russland-China aufzubrechen. Mit einem Russland, das militärisch geschwächt ist, können die USA, was schon längst ausgemachtes Ziel ist, direkt gegen den Hauptkonkurrenten um die Weltmacht antreten, gegen China.

Die New York Times stellt ganz richtig eine Veränderung der US-amerikanischen Kriegsziele fest. (…) Es gehe Washington nicht mehr um einen Kampf über die Kontrolle über die Ukraine, sondern um einen Kampf, der die USA direkter gegen Russland stellt, bemerkte die Zeitung am Anfang dieser Woche.

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Auffällig ist, dass Austin mit keinem Wort auf die Gefahr eines Atomkrieges eingeht. Wenn Russland so geschwächt werden soll, dass es nicht einmal mehr einen solchen Krieg wie gegen die von den USA seit 2015 mit Milliarden hochgerüstete Ukraine führen kann, wird die Folge sein, dass die Putin-Regierung gestürzt wird, wodurch Russland ins Chaos von Machtkämpfen gerät und womöglich zerfällt – was Europa nicht gerade sicherer machen wird.

Oder die russische Führung wird zu immer stärkeren Mitteln greifen, um die Souveränität des Staats zu sichern – womöglich bis zum Einsatz von Atomwaffen. Russland könnte beispielsweise eine Atomwaffe in großer Höhe über den USA explodieren lassen, ohne direkt einen Ort anzugreifen, um aber das ganze Land durch den dadurch erzeugten elektromagnetischen Impuls (NEMP) lahmzulegen, bei dem alle ungehärteten elektronische Systeme zumindest kurzfristig ausfallen.

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Frederik Kempe, Präsident des Think Tanks Atlantic Council, erklärte kürzlich, dass eine neue Weltordnung im Entstehen sei und sie durch den Ukraine-Krieg befördert werden könne (…).

In der Ukraine wird die Schlacht um die globale Kontrolle ausgefochten. Aber darüber wird nicht gesprochen, weil angeblich der Westen nur auf Russland reagiert und die Ukraine schützen will. Jetzt ist man immerhin schon so weit, dass es nicht um einen Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen geht, sondern um einen nicht näher ausformulierten „Sieg“ der Ukraine als Handlanger der westlichen Interessen, die eine multipolare Welt zugunsten einer amerikanischen Vorherrschaft bekämpfen.

Nach Russland, sollte es keinen dritten Weltkrieg geben, geht es gegen China. Dumm nur, dass man mit Waffen und Kriegen die Klimaerwärmung, die Umweltzerstörung und das Artensterben nicht lösen kann. Das würde globale Kooperation, keine US-amerikanisch dominierte internationale Ordnung erfordern.