Die Initiative „Sicherheit neu denken“ hat Impulse für zivile Lösungswege des Ukraine-Konflikts veröffentlicht, deren Kurzfassung unten wiedergegeben ist.
Ein Besuch ihrer Internetseite sicherheitneudenken.de ist empfehlenswert!
Für eine entschlossene und besonnene Reaktion auf Putins Krieg
Impulse für zivile Lösungswege
Sicherheit neu denken – gerade jetzt!
Kurzfassung
- Wir fordern die sofortige Beendigung des durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieges durch Russland.
- Wir unterstützen, dass dem von Präsident Putin begonnenen Krieg mit Klarheit und Konsequenz, mit klarer Sprache und Bestimmtheit begegnet wird.
Sanktionen, so fraglich und ambivalent sie in ihrer Wirkung auch sind, sind dazu das gewaltarme Mittel der Wahl. - Neben Signalen der Entschlossenheit auch Zeichen zur Deeskalation senden.
Zusätzlich braucht es neben Signalen der Ge- und Entschlossenheit auch Zeichen zur Deeskalation des Konfliktes. - Eskalationsdynamik unterbrechen.
Gewalt und Gegengewalt, auch wenn Selbstverteidigung legal ist, treiben eine Spirale der Gewalt an, die außer Kontrolle zu geraten droht.
Die Alternative zu einer Verständigung wäre der gegenseitige Vernichtungskrieg. Auf der von Prof. Glasl entwickelten Skala der Konflikt-Eskalation bewegt sich der Ukraine-Krieg bereits zwischen Stufe 7 und 8 von 9 Stufen und tendiert zu Stufe 9: „Gemeinsam in den Untergang“. - Die langjährigen diplomatischen Bemühungen waren richtig.
Sie sind vorerst gescheitert, weil sie nicht weit genug gingen und nicht konsequent genug verfolgt wurden. - Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben sich seit der Zusage der NATO-Beitrittsperspektive für die Ukraine 2008 aufgebaut.
Es wurde versäumt, die in den 90er Jahren allseitig getragene und erhoffte Perspektive einer tragfähigen Europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung konsequent zu verfolgen und zu realisieren.
George Kennan, Urheber der von den USA seit 1947 verfolgten Containment-Politik zur Eindämmung der Sowjetunion, hat bereits 1997 vor den Folgen der NATO-Osterweiterung als „verhängnisvollem Fehler“ gewarnt, als einer Treiberin von Nationalismen. - Frieden und Verständigung benötigen Perspektivwechsel
Die Perspektive Russlands einzunehmen, heißt nicht, diese zu teilen. Zur Vermeidung eines langjährigen Abnutzungskriegs auf beiden Seiten braucht es Angebote gesichtswahrender friedlicher Lösungsmöglichkeiten für beide Präsidenten. - Den Krieg mit „sowohl/als auch“ statt „entweder/oder“ überwinden.
Jeder Konflikt, der eskaliert – und ein Krieg erst recht -, führt dazu, komplexes Denken zugunsten von Vereinfachungen sowie klaren Freund-/Feind-Bildern aufzugeben.
Demgegenüber sollten wir darauf beharren, die gesamte Geschichte und Dynamik dieses Konflikts zu beleuchten, was häufig bedeutet, nicht auf ein „entweder/oder“, sondern auf ein „sowohl/als auch“ zu setzen. - Friedenslogik denkt vom guten Ende her.
Deeskalierende Handlungsoptionen entwickeln.
Benötigt werden Handlungsoptionen auf allen Ebenen, für alle Akteure, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und über Konfliktlösungen in eine stabile Friedensordnung zu überführen.
Es gilt, die Anzahl in den Blick genommener Konfliktlösungs-Varianten zu erhöhen. - Deeskalations-Optionen sind u.a.:
– NATO und EU könnten Russland entsprechend des Angebots von Präsident Selenskyj ihre Unterstützung zu Verhandlungen über eine zukünftige Neutralität der Ukraine mit gemeinsamen Sicherheitsgarantien signalisieren.
– Die EU könnte Russland Verhandlungen zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum EU/EAWU vom Atlantik bis zum Pazifik vorschlagen.
– Vermittlungs-Initiativen des UN-Generalsekretärs oder des Papstes.
– Aktiver und koordinierter, professioneller Ziviler Widerstand
Bewaffnete Widerstände dauern im Durchschnitt 3x so lange wie gewaltfreie. Aktiver gewaltfreier Widerstand ist gegen gewaltsame Besatzer genau so erfolgreich wie gewaltsamer Widerstand – und mit weit weniger menschlichem Leid und Tod sowie Kosten verbunden. - Eine inklusive Europäische Friedens- und Sicherheitsordnung verhandeln.
Die Bereitschaft, normative Differenzen anzuerkennen, auszuhalten und konstruktiv zu bearbeiten, gehört zu den grundlegenden Anforderungen jeder Konfliktlösung und insbesondere an eine nachhaltige gesamteuropäische Ordnung.
Die Tragfähigkeit der demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Werte erweist sich auch daran, inwieweit sie den friedlichen und konstruktiven Austrag von sicherheitspolitischen Konflikten mit dem normativ Anderen zulässt und auf ideologische Konfrontation verzichtet. - Wir unterstützen das solidarische Engagement unserer Bevölkerung und der EU-Regierungen für Flüchtende und humanitäre Hilfe für Kriegsopfer.
- Wir widersprechen der angekündigten massiven Erhöhung der Militärausgaben sowie der geplanten Festschreibung von Militärausgaben im Grundgesetz.
Wir fordern kurzfristig jährlich 10 % der geplanten Militärausgaben für einen Auf- und Ausbauplan Zivile Konfliktbearbeitung und Krisenprävention:
– Beitragssteigerungen für OSZE u. UNO, Zivile Krisenprävention u. Friedensförderung
– Ausbau Internationaler Mediation, Friedens-Attachés in jeder Deutschen Botschaft
– Instrumente / Strukturen zur konstruktiven Bearbeitung innergesellschaftlicher Konflikte
– Verankerung einer konstruktiven Konfliktkultur in der Breite unserer Gesellschaft
– Friedensbildung und Fortbildung in Sozialer Verteidigung
– Personalsteigerungen für Internationale Polizeimissionen
– Ausbildung und Einsatz Ziviler Friedensfachkräfte
– Gesamtgesellschaftliche Aus- und Fortbildung in Ziviler Konfliktbearbeitung
– 100 Bildungs-PromotorInnen für Zivile Konfliktbearbeitung - Der UN-Atomwaffenverbotsvertrag ist zur Gestaltung einer verantwortlichen Zukunft alternativlos, die auf die Stärke des Rechts statt des Rechts der Stärke setzt.
Durch die Drohung Präsident Putins mit dem Einsatz von Atomwaffen ist diese Gefahr offenkundig geworden. Diese ist nur durch einen Beitritt Deutschlands und aller anderen Staaten zum Atomwaffenverbotsvertrag aufzuheben.
Die Bundesregierung sollte die NATO-Atomwaffenstaaten und Russland auffordern, eine gemeinsame Erklärung zum Verzicht auf den Ersteinsatz mit Atomwaffen abzugeben und unmittelbar nach Kriegsende Rüstungskontrollverhandlungen aufzunehmen. - Auch für die Lösung der Klimakrise ist eine schnelle gewaltüberwindende Verständigung mit Russland notwendig.
- Sicherheit neu denken – Patriarchale Machtstrukturen und Denkmuster überwinden.
Seit 2019 formiert sich auf der Basis des Szenarios Sicherheit neu denken eine bundesweite Initiative für eine nachhaltige Zivile Sicherheitspolitik, die bisher von 41 deutschen und 3 europäischen Organisationen getragen wird.
Diese Impulse wurden von folgenden Mitgliedern des Koordinierungskreises der Initiative verfasst:
Ralf Becker (Evangelische Landeskirche in Baden)
Gerd Bauz (Martin-Niemöller-Stiftung)
Elisabeth Freise (Church and Peace)
Eberhard Müller (EAK Württemberg)
Helmut Müller (AGF – Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR))
Thomas Carl Schwoerer (DFG-VK Bundessprecher)
Theodor Ziegler (Forum Friedensethik in der Ev. Landeskirche in Baden)
Andreas Zumach (Unabhängiger Journalist)